5 Schlusswort 

Der Staat der Serben, Kroaten und Slowenen stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. Aus Furcht vor einer italienischen Hegemonie hatten Kroatien und Slowenien den Anschluss an das Königreich Serbien gesucht. Diese Lösung stellte in den Augen der Kroaten und Slowenen, im Vergleich zu einer Annexion durch Italien, das kleinere Übel dar. Die Enttäuschungen, die vor allem die Kroaten in der Zwischenkriegszeit durch die Dominanz der Serben erlebten, führten zu ernsthaften Spannungen zwischen den beiden Völkern. Ein Ende des gemeinsamen Staates war daher absehbar. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges läutete schliesslich den Niedergang Jugoslawiens ein.

Mit der Unterstützung Mussolinis und der Duldung Hitlers gelang es Pavelić und seinem Gefolge, den seit ihrem Exil sehnsüchtig erwarteten Unabhängigen Staat Kroatien zu errichten. Nach anfänglichem Überschwang musste die Ustascha und ihre Regierung einsehen, dass sie in der vorwiegend bäuerlichen Bevölkerung wenig Rückhalt genoss. Die Stimmung im Volk verschlechterte sich zusehend, als bekannt wurde, welche Konzessionen Pavelić gegenüber dem Duce gemacht hatte. Durch die Römischen Verträge und den damit verbundenen Verlust grosser Teile Dalmatiens hatte nicht nur Italien, sondern auch die Ustascha-Regierung viel an Sympathie eingebüsst. Mit den einsetzenden Serbenverfolgungen hatte sich das Regime nach wenigen Monaten seiner Herrschaft zusätzlich grosse Bevölkerungsteile zum Gegner gemacht.

Als Reaktion auf die Serbenverfolgungen entstanden erste Widerstandsbewegungen unter der Führung serbischer Offiziere, die Tschetniks. Sie setzten sich anfänglich zum Ziel, die Achsenmächte aus Jugoslawien zu vertreiben. Im Laufe des Krieges wandten sie sich indes immer mehr der Bekämpfung der Ustascha und des Kroatentums zu. Mit Beginn des deutschen Russlandfeldzuges beschlossen die bis dahin im Untergrund gebliebenen Kommunisten, militärischen Widerstand gegen die Okkupatoren zu leisten. Ein Zusammengehen der beiden Kräfte scheiterte jedoch an den divergierenden politischen Einstellungen und Ziele. Die serbischen Tschetniks stellten eine traditionelle, auf ihre Region ausgerichtete Einheit dar, welche zur Schonung ihrer Kräfte einer direkten Konfrontation mit ihren Gegnern auswich. Im Gegensatz dazu führten die unter Titos Führung stehenden Soldaten, welche die verschiedenen sozialen und kulturellen Teile Jugoslawiens widerspiegelten, einen mit hohen Verlusten verbundenen mobilen Partisanenkrieg. Der hohe Einsatz dieses Vorgehens fand erst gegen Ende des Krieges seine Anerkennung durch die Alliierten, die bis anhin den Führer der Tschetniks, Mihajlović, favorisiert und unterstützt hatten. Nachdem Teile seiner Truppen mit den Achsenmächten kollaboriert hatten und er sich weigerte, entscheidend in den Krieg einzugreifen, wandten sich die Alliierten von ihm ab und erklärten den Oberkommandierenden der immer stärker werdenden Partisanen, Tito, zu ihrem anerkannten Vertreter in Jugoslawien.

Italien sah mit dem Untergang des Königreichs Jugoslawien die Möglichkeit gekommen, die seit dem Antritt Mussolinis angestrebte Vorherrschaft in der Adria zu verwirklichen. In Pavelić und der Ustascha glaubte man, aufgrund ihrer Schuldigkeit gegenüber Italien, einen willfährigen Verbündeten zu haben. Das Ustascha-Regime zögerte jedoch, sich in die Hände Italiens zu geben. Das kroatische Volk, welches die Italiener schon vor dem Krieg nicht besonders geschätzt hatte, war nach dem Verlust Dalmatiens noch stärker gegen sie eingestellt. Deshalb hielt man es in den Kreisen der Ustascha für ratsam, keinen all zu engen Kontakt mit Italien zu pflegen. Die römische Regierung nahm diese Entwicklung und die Stimmung in Kroatien mit Besorgnis zur Kenntnis. Die später folgende Annäherung und die Zugeständnisse der Ustascha-Regierung an Deutschland empfand Italien als Bruch der Römischen Verträge. Die Ustascha warf den italienischen Stellen dagegen vor, eine kroatenfeindliche Politik zu betreiben, indem sie unter anderem serbische Tschetniks bewaffnete und sich ihrer im Kampf gegen Ustascha-Milizen bediente. All dies hatte zur Folge, dass sich das Verhältnis zwischen den beiden Ländern merklich abkühlte. Obwohl Pavelić Mussolini weiterhin seine Loyalität bekundete, hatte Kroatien bereits damit begonnen, seine Politik auf Deutschland auszurichten. Das Ausscheiden Italiens aus dem Achsenbündnis im Sommer 1943 wurde in Kroatien mit Erleichterung aufgenommen. Volk und Regierung sahen sich von einer immer schwereren Last befreit.

Hitler hatte schon vor dem Jugoslawienfeldzug seinem Achsenpartner versichert, dass Kroatien im italienischen Interessenkreis liege und Deutschland diesbezüglich keine Absichten hege. Trotz dieser Zugeständnisse waren die diplomatischen Stellen Deutschlands bereits vor dem Einmarsch in Jugoslawien stark aktiv. Nachdem ihr Versuch, Maček zur Bildung einer kroatische Regierung zu bewegen, gescheitert war, wandten sie sich der Ustascha zu. Bei der Festlegung der territorialen Grenzen überliess das Reich den Italienern den Vortritt. In den Wirtschaftsangelegenheiten zeigte die deutsche Regierung weniger Entgegenkommen und sicherte sich die für sie notwendige Industrie und die Ressourcen für ihre Kriegswirtschaft. Auch im politischen und militärischen Bereich begann Deutschland, das in den Augen der Kroaten hohes Ansehen genoss, immer stärker Einfluss zu nehmen. Die kroatische Bevölkerung hoffte, dass es die Ustascha zur Ordnung rufen und im Land nach dem Rechten sehen werde. Hitler unterwies jedoch seine Untergebenen, der Ustascha-Regierung in ihrer Politik freie Hand zu lassen. Dies hatte zur Folge, dass grosse Teile des Volkes sich enttäuscht von Deutschland abwandten und ihm zugleich das Versagen des Ustascha-Regimes anlasteten. Obwohl Ende 1942 die faktische Gewalt im Unabhängigen Staat Kroatien langsam in die Hände der deutschen Wehrmacht und Polizei überging und Deutschland nach Italiens Ausscheiden allein die Politik bestimmte, änderte sich nichts an der chaotischen Lage Kroatiens. Vielmehr hatte sich die Situation im Lande noch verschlimmert, denn die Wehrmacht reagierte gegen die immer häufiger auftretenden Partisanenanschläge mit Vergeltungsaktionen gegen die Zivilbevölkerung. In der Tat hatte im Jahre 1944 die Ustascha-Regierung die eigentliche Kontrolle über ihr Land an die Deutschen verloren. Die kroatische Souveränität wurde zu jenem Zeitpunkt durch die wachsenden Willkür deutscher militärischer, polizeilicher und politischer Organe stark beeinträchtigt. Durch den Abfall Rumäniens gewann das Ustascha-Regime die Gunst Deutschlands zurück, bevor es mit diesem vollends unterging.

Zu Anfang des Zweiten Weltkrieges hatte die Schweiz wichtige Import- und Exportmärkte verloren. Ihr fehlten essentielle Ressourcen, die sie nur in begrenztem Umfang selber oder gar nicht gewinnen konnte. Deshalb war jeder ausländische Markt, der die fehlenden Produkte anbot und zugleich ein Absatzmarkt für schweizerische Waren darstellte, von grösster Bedeutung; so auch Kroatien. Dieser junge Staat hatte hinsichtlich der Wirtschaft ähnliche Interessen wie die Schweiz, doch setzte er für eine wirtschaftliche Übereinkunft die Anerkennung seines Staates voraus. Diese Forderung stellte Kroatien, um von möglichst vielen Ländern anerkannt zu werden und um nicht den Anschein eines deutsch-italienischen Willkürstaates zu erwecken. Nach einer für beide Seiten akzeptablen Regelung dieser Frage schlossen die zwei Staaten im September 1941 ein Wirtschaftsabkommen, welches einen regen Handel zwischen ihnen ermöglichen sollte. Die innenpolitischen Schwierigkeiten und die wirtschaftliche Ausbeutung Kroatiens durch Deutschland und Italien hemmten jedoch den Warenverkehr mit der Schweiz. Es folgten darauf weitere zwischenstaatliche Verträge, welche die bestehenden Schwierigkeiten beseitigen sollten. Von schweizerischer Seite musste jedoch konstatiert werden, dass Kroatien nicht in der Lage war, dem Handel die gewünschte Richtung zu geben und damit die Verträge einzuhalten.

In der Presse widerspiegelten sich die Haltung und die Einflussmöglichkeiten der beiden Regierungen. In den Organen der kroatischen Regierung erschienen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur dann schweizerfeindliche Artikel, wenn diese von der Ustascha-Regierung angeordnet wurden. Nach anfänglich genehmigten Attacken gegen die Eidgenossenschaft äusserte sich die kroatische Presse – nach Eintreten einer Beruhigung zwischen den beiden Ländern – bis zum Ende des Krieges relativ freundlich über die Schweiz. Eine Ausnahme bildete die von den Deutschen kontrollierte Deutsche Zeitung in Kroatien. Erst nach kroatischer Intervention konnte auch diese zum Schweigen gebracht werden. Im Gegensatz zur kroatischen veröffentlichte die schweizerische Presse den ganzen Krieg hindurch immer wieder falsche und beleidigende Meldungen über die Ustascha-Regierung. Auch Bemühungen seitens Kästlis und der Bundesregierung diese zu unterbinden, konnten daran nichts ändern.

Die Berichte des schweizerischen Konsul in Zagreb weisen in der Darstellung des Unabhängigen Staates Kroatien erhebliche Lücken auf, die erst durch die Heranziehung der Sekundärliteratur geschlossen werden konnten. Die Berichte Kästlis stimmen jedoch in allen wichtigen Punkten mit den übrigen mir zugänglichen Quellen und Werken überein und können daher zusammenfassend als historisch verlässlich bezeichnet werden. Dies wird auch durch das Urteil seiner Vorgesetzten bestätigt, die ihn als zuverlässigen und qualitativ gut arbeitenden Diplomaten mit einem Hang zur Geltungssucht beschrieben. Trotz manchmal abschätzigen Worten über Kroatien und sein Volk, hegte Kästli doch ehrliche Sympathie für das Land und die Leute. Allein die Ustascha und ihre Regierung schätzte er gering, auch wenn seine ersten Beschreibungen Pavelićs darauf schliessen lassen können, dass er in ihm anfänglich einen fähigen Führer sah. Im diplomatischen Verkehr mit der Ustascha verhielt sich Kästli aber den Regeln entsprechend. Die einzige Kraft, mit welcher der Schweizer Vertreter sympathisierte, war die Bauernpartei. Sie galt ihm als die einzige Partei, die in Kroatien den Frieden und die Demokratie zu verwirklichen imstande schien. In den Tschetniks und vor allem den Kommunisten, gegen die er aus ideologischen Gründen eine grosse Abneigung hegte, sah er eine Gefahr für sich und seine diplomatische Tätigkeit.

Die Rolle der beiden Achsenmächte Italien und Deutschland beschrieb Kästli aus der Sicht eines neutralen Beobachters. Er nahm weder für die eine noch die andere Macht Partei. Vielmehr vermittelte er dem Leser ein Bild, in dem die Erwartungen der Kroaten in die beiden Verbündeten und die damit verbundenen Enttäuschungen anschaulich geschildert wurden. Die oft negativen Berichte über Italien beruhten nicht auf einer persönlichen Abneigung, sondern widerspiegelten die Haltung der kroatischen Bevölkerung. Italien wurde als Feind empfunden, der die territorialen Ansprüche und die Selbständigkeit Kroatiens bedrohte. Obwohl Deutschland im Gegensatz dazu anfangs als Freund betrachtet wurde, der Ordnung und Fortschritt ins Land bringen sollte, hinterfragte der schweizerische Vertreter von Anfang an die wirtschaftlichen und politischen Absichten des Reiches. Wie das kroatische Volk, zeigte sich auch Kästli über das Verhalten Deutschlands enttäuscht und hielt dementsprechend mit seiner Kritik nicht zurück.

In seinem Amt als Konsul bemühte sich Kästli so weit als möglich Beziehungen zwischen der Schweiz und Kroatien aufzubauen und voranzutreiben. Die Regierung in Bern zeigte lediglich für die Wirtschaftsabkommen mit Kroatien Interesse und beabsichtigte abgesehen davon, keine Beziehungen mit diesem Land zu pflegen. So fanden viele Vorhaben Kästlis, die Kroatien und die Schweiz näherbringen sollten, in Bern kein Gehör.

Auf der Basis des aus dieser Arbeit gewonnenen Wissens, kann gefolgert werden, dass Deutschland und Italien jederzeit das Schicksal Kroatiens in der Hand hielten und den entsprechenden Einfluss auf das Ustascha-Regime hatten. Für die Schweiz hatte dies vor allem Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeziehungen zum Unabhängigen Staat Kroatien. Italien und vor allem Deutschland, welche ihre Hände auf die Wirtschaft Kroatiens legten, um ihre militärische Versorgung sicherzustellen, verhinderten einen freien Handel zwischen der Schweiz und Kroatien.

Anderseits besass der Ustascha-Staat vor allem zu Beginn seines Bestehens noch weitgehende Souveränität. So konnten Beschwerden von italienischer und deutscher Seite dem Treiben der Ustascha-Milizen keine Ende bereiten. In dieser Hinsicht trägt die Ustascha die alleinige Verantwortung für all die von ihr begangenen Gewalttaten in Kroatien. Ein weiterer Hinweis auf die Selbständigkeit Kroatiens stellt die Pressepolitik dar. Obwohl nicht alle Presseorgane direkt kroatischer Kontrolle unterlagen, wie etwa die Deutsche Zeitung in Kroatien, setzte sich die Regierung in der Regel mit ihren Artikelwünschen bei den Achsenmächten durch. Dies zeigt sich deutlich am Beispiel der Schweiz.

Es kann somit festgehalten werden, dass das kroatische Ustascha-Regime während seiner ganzen Lebensdauer eine gewisse Kontrolle über seinen Staat hatte, auch wenn im Laufe der Zeit ihm von den Achsenmächten immer mehr Teile der Staatsgewalt aus der Hand genommen wurden.

Auch mit dieser Arbeit bleiben in der Erforschung der kroatischen Geschichte während des Zweiten Weltkrieges Lücken bestehen. So bieten sich für die weitere Bearbeitung dieses Themas die hier nur gestreiften Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und Kroatien an. Es gibt dazu im Bundesarchiv in Bern ausführliches Quellenmaterial, welches eine Vertiefung ermöglichen würde. Es wäre des Weiteren von Interesse, aus Sicht kroatischer Quellen die Beziehungen dieser beiden Länder zu durchleuchten und dadurch zu vervollständigen. Wie schon in der Einleitung erwähnt, wäre es zudem wünschenswert, wenn anhand italienischen Quellenmaterials ein übersichtliches Werk zu diesem Thema veröffentlicht würde. Damit würde die Geschichte des Unabhängigen Staates Kroatien durch einen wichtigen Aspekt ergänzt werden.