2 Die Biografie Friedrich Kästlis
2.1 Der Lebenslauf bis zum Beginn des Zweiten
Weltkrieges Am
30. März 1893 kam Fritz Kästli, jüngster Sohn des Jakob Kästli,
eines Baumeisters in Bern, zur Welt. Nachdem er im Herbst des
Jahres 1912 die Matura am Freien Gymnasium in Bern gemacht und
seinen Militärdienst[1]
geleistet hatte, immatrikulierte er sich im Frühling 1916 an der
Universität Bern. Nach seiner Promotion mit Auszeichnung zum
Doktor der Politikwissenschaften an der juristischen Fakultät im
Jahre 1919 bewarb er sich als Beamter für wirtschaftliche
Aufgaben im diplomatischen oder konsularischen Dienst. Da zu jenem
Zeitpunkt in diesem Bereich keine Stelle frei war, wurde er
Abteilungschef der Eidgenössischen Fremdenpolizei und gelangte
erst drei Jahre später in den konsularischen Dienst des Eidgenössischen
Politischen Departements. In der Folge leistete er als
Konsularattaché zuerst in London, Shanghai, Glasgow und Leipzig,
wo er im Jahre 1930 zum Berufsvizekonsul befördert wurde, seinen
Dienst. In diesen Jahren wurde er von verschiedenen Seiten als
eitle, teils eigenmächtige Person dargestellt, der es an gewissen
kulturellen und weltlichen Gepflogenheiten mangle, die aber
qualitativ gute und zielbewusste Arbeit leiste.[2]
Im Jahre 1935 übernahm er die provisorische Verweserschaft des
Konsulats in München[3],
wo er zum Konsul befördert wurde, bevor er im folgenden Jahr zum
Postenchef des Konsulats von Kaunas (Litauen) berufen wurde. Es
gelang Kästli trotz anfänglicher Schwierigkeiten und Bedenken
seinerseits, ob er für diese Aufgabe die richtige Person sei[4],
ein gutes Verhältnis zu den Vertretern Litauens und anderen Persönlichkeiten
jenes Landes aufzubauen. Diese Entwicklung war unter anderem auf
verschiedene erfolgreiche wirtschaftliche Abschlüsse zwischen
schweizerischen und litauischen Unternehmen zurückzuführen, die
dank Kästlis Einsatz zustande gekommen waren.[5] Doch auch hier hielt sein
direkter Vorgesetzter Egger, der schweizerische Gesandte in
Finnland fest, dass es bedauerlich sei, dass Kästli seine
dienstlichen Fähigkeiten und Verdienste immer wieder durch seinen
übermässigen Geltungstrieb und durch seine masslose
Empfindlichkeit schmälere.[6] Kurz
vor der Annexion Litauens durch Russland und der damit erfolgten
Schliessung des Konsulats am 25. August 1940 heiratete Kästli die
27 Jahre jüngere Litauerin Helene Augevicius, die zuvor als
Ferienaushilfe im Konsulat gearbeitet hatte und aus einer
angesehenen litauischen Offiziersfamilie stammte. 2.2
Die Tätigkeit als Postenchef in Zagreb 2.2.1
Die Grundzüge seiner Tätigkeit in Zagreb Der
Bundesrat hatte sich Anfang 1941 dazu entschlossen, das
Honorarkonsulat in Zagreb in ein Berufskonsulat umzuwandeln und Kästli
die Leitung dieses Postens zu übertragen. Zagreb stellte für Kästli
von Anfang an eine grosse Herausforderung dar. Der Ausbruch des
Krieges in Jugoslawien und die Machtübernahme durch die Ustascha
in Kroatien erschwerten die Situation des Konsuls erheblich. Kästli
versuchte, sich durch die desolate Lage nicht beirren zu lassen
und bemühte sich so weit als möglich, die Interessen der Schweiz
wahrzunehmen. In diesem Sinne stattete er gleich zu Anfang seines
Postenantritts bei allen seinen Berufskollegen und den wichtigen
Persönlichkeiten der kroatischen Gesellschaft Besuche ab. Auswahl
und Pflege der Letzteren richtete sich auf die dienstlichen Bedürfnisse
aus, d.h. auf die unbedingt notwendigen Beziehungen zum
Aussenministerium und zu Privatpersonen, die geeignet schienen,
den sonst mangelnden Behördenverkehr zu ersetzen.[7]
Vor allem die Bekanntschaft mit dem Staatsrechtler Professor Krišković,
der von Kästli selbst hoch geachtet wurde, erwies sich als eine
äusserst nützliche Beziehung. Viele der hohen kroatischen
Beamten waren einst seine Schüler gewesen und liessen sich dank
seines Engagements immer wieder für verschiedene schweizerische
Vorhaben gewinnen. In den Wirtschaftsangelegenheiten konnte Kästli
den Chef der kroatischen Handelsdelegation, Professor Butorac, als
Vertrauten gewinnen, der ihm mit seinem weitreichenden Einfluss
stets mit Rat und Tat zur Seite stand. Für Fragen bezüglich der
schweizerischen Kolonie in Kroatien hatte Kästli in alt Konsul
Segesser eine gute Stütze. Dieser hatte bis 1940 das
Honorarkonsul in Zagreb geleitet und war danach in Kroatien
geblieben.[8] Nach
Klärung der Anerkennungsfrage zwischen der Schweiz und Kroatien
baute Kästli seine Beziehungen weiter aus. Er suchte alle für
seine Belange wichtigen Minister und Persönlichkeiten in Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft auf und versuchte, sie für die
Interessen der Schweiz zu gewinnen. Gegen Ende des Jahres 1941
waren die persönlichen Beziehungen des Konsulates derart
ausgebaut, dass sie für alle dienstlichen Bedürfnisse gut
spielten.[9]
Kästli zeigte auch soziales Engagement, indem er und seine Frau
angesichts des Elends elternloser Kinder in Kroatien Ende 1942 ein
pravoslawisches Waisenkind als Pflegesohn aufnahmen. Das EPD
zeigte sich über den Einsatz Kästli zufrieden, wie in einer
Notiz des Bundesrates[10]
zu lesen ist und beschloss, ihn aus diesen Gründen im Jahre 1943
zum Generalkonsul zu befördern. Mit ausschlaggebend für die Beförderung
war, dass die kroatische Regierung eine angemessene Vertretung in
Zagreb wünschte. Nachdem eine Gesandtschaft nicht in Frage kam,
erwartete man in Kroatien zumindest ein Generalkonsulat. Diesem
Begehren gab die Bundesregierung nach anfänglichen Bedenken nach.[11] Obwohl
sich die Beziehungen Kästlis zu den kroatischen, deutschen und
italienischen Stellen in Zagreb verbesserten, so dass er vermehrt
zu offiziellen Anlässen eingeladen und dort zuvorkommend
behandelt wurde, wandelte sich im Verlauf des Jahres 1944 die
Einstellung des Ustascha-Regimes ihm gegenüber. Die
innenpolitisch gespannte Lage Kroatiens hatte direkte Auswirkungen
auf den schweizerischen Vertreter. Vorwürfe und Gerüchte, wonach
Kästli achsen- und ustaschafeindlich eingestellt sei, wurden vom
Regime ernst genommen. In seinen Berichten und Briefen äusserte
sich Kästli durchaus achsen- und vor allem ustaschakritisch, doch
vermied er es aus diplomatischen Gründen seine persönliche
Meinung offiziell kundzutun. Deshalb wehrte er sich gegen solche
Verleumdungen, die seinen Beziehungen zu Kroatien und den übrigen
Ländern der Achse schwer schadeten. Trotz diesen in Kästlis
Augen von nazifreundlichen Kreisen geäusserten Verleumdungen, vor
allem was die Achsenfeindlichkeit anbelangte, bat er den
schweizerischen Chef des Konsulardienstes in einem Brief,
dahingehend beim Bundesrat einzuwirken, dass er nach Ende des
Krieges als Gesandter in Zagreb eingesetzt werde.[12] 2.2.1
Die Goldaffäre Die
innenpolitische Lage in Kroatien verschlechterte sich ab 1944
zusehends, und das Ustascha-Regime begann alle Gegner seiner
Politik als Feinde zu betrachten. Kästli, der wie zuvor erwähnt,
bereits früher als achsenfeindlich eingeschätzt wurde, geriet
immer mehr in den Verdacht eine Anti-Ustascha Politik zu
betreiben.[13]
Die Situation wurde für ihn sehr gefährlich, als die Kroatische
Staatsbank Anfang August 1944 heimlich 980 kg ihres Goldes in die
Schweiz verschob. Der Transport spielte sich folgendermassen ab:
Unter einer vereinbarten Silbersendung von ca. 25 Tonnen
jugoslawischer Münzen, welche die Schweizerische Nationalbank
aufgekauft hatte, wurden einzelne heimlich mit Gold gefüllte Säcke
gemischt. Die Schweizerische Nationalbank, durch das Einschmuggeln
von Gold in den Transport überrascht und in Verlegenheit
gebracht, stellte die Kroatische Staatsbank vor die Alternative,
ihr entweder unter annehmbaren Bedingungen das Gold zum Kauf zu überlassen[14]
oder es wieder zurückzunehmen.[15] In
der Folge wurde Kästli zum Vizepräsidenten der Kroatischen
Staatsbank Junus Mehmedagić bestellt, der sich bei Kästli über
das schweizerische Verhalten in dieser Sache beschwerte und die
Rechtmässigkeit des schweizerischen Vorgehens anzweifelte. Der
schweizerische Konsul erklärte dem Vizepräsidenten, dass gemäss
einem Bundesratsbeschluss vom Dezember 1942 die Goldeinfuhr und
-ausfuhr der Bewilligungspflicht unterstand. Daher war auch die
Goldsendung, da sie ohne Einfuhrbewilligung erfolgt war,
gesetzeswidrig. Auf diesen Einwand hin vertraute Mehmedagić Kästli
an, dass die heimliche Absendung von Gold, obwohl mit dem persönlichen
Einverständnis des Finanzministers, von ihm veranlasst worden
sei, um dieses Kroatien –
er meinte damit nicht den Ustascha-Staat Kroatien –
zu erhalten und insbesondere einem deutschen Zugriff entziehen zu
können. Kästli ging, angesichts der hoffnungslosen
Lage des Unabhängigen Staates Kroatien zu jener Zeit, davon aus,
dass Mehmedagić, zuvor noch ein ehrgeiziger Ustascha, diese
Goldsendung veranlasste, um bei dem nachfolgenden Regime bessere
Aussichten zu haben.[16]
Mehmedagić und später auch Finanzminister Toth baten Kästli
auf die Schweizerische Nationalbank dahingehend einzuwirken, dass
das Gold keinesfalls über die Grenze gestellt, sondern teils bei
der Schweizerischen Bankgesellschaft, teils bei der
Schweizerischen Kreditanstalt, also bei Privatinstituten,
hinterlegt werden sollte.[17]
Kurze Zeit später teilte die Schweizerische Nationalbank Kästli
in einem telegrafischen Schreiben mit, dass sie unter keinen
anderen Umständen als unter den bereits oben erwähnten bereit wäre,
das Gold in der Schweiz zu belassen. Was
Kästli bis anhin nicht erfahren hatte, war, dass der
Finanzminister den Vizepräsidenten der Staatsbank ohne Wissen
seiner Regierung gedeckt hatte und dass Letztere sowie die
obersten Ustaschaführer erst nachträglich vom Goldtransport
Kenntnis erhalten hatten.[18]
Aufgrund dieser Angelegenheit wurde der schweizerische Konsul zum
kroatischen Aussenminister Alajbegović gerufen. Kästli
teilte diesem mit, dass sich die schweizerische Regierung bezüglich
der Bitte Kroatiens, das Gold beim nächstgelegenen ausländischen
Posten zur Verfügung zu stellen, darauf berief, dass das Gold
seinerzeit ohne erforderliche Einfuhrbewilligung eingeführt
worden war und daher vorerst eine entsprechende Ermächtigung für
die Auslieferung der Eidgenössischen Zollverwaltung abzuwarten
sei.[19]
Am Ende der Unterredung wies Alajbegović den schweizerischen
Vertreter drauf hin, dass er Kästli vom Regierungspräsidenten
mitzuteilen habe, dass es Konsequenzen haben werde, wenn diese
Sache nicht in Ordnung käme. Kästli empfand diese Worte als eine
ernsthafte Drohung gegen seine Person.[20] In
einer Note an das kroatische Aussenministerium erklärte Kästli,
falls die Kroatische Staatsbank die Verfügungstellung des Goldes
an eine nächste ausländische Zollstation zuhanden der
kroatischen Regierung wünsche, einer Erledigung in diesem Sinne
von schweizerischer Seite aus keine Hindernisse im Wege stehen würden.
Die Schwierigkeiten schienen ihm vielmehr darin zu liegen, dass
aufgrund der nach Vorschriften zu handeln bemühten
schweizerischen Beamten, die Wiederausfuhr dieses illegitim eingeführten
Goldes in Formen gekleidet werden müsse, welche die
Schweizerische Nationalbank der Eidgenössischen Oberzolldirektion
gegenüber vertreten könne.[21] Nachdem
die schweizerische Regierung Verhandlungen diesbezüglich anbot
und sich die kroatischen Stellen von der schweizerischen Lösungsbereitschaft
überzeugen liessen, entspannte sich die Lage in Zagreb für Kästli.
Die Situation verschlechterte sich aber kurze Zeit später, als
bekannt wurde, dass der Bundesrat die kroatischen Guthaben in der
Schweiz zu sperren beabsichtigte. Das Misstrauen des
Ustascha-Regimes gegenüber der Schweiz erhielt dadurch neue
Nahrung. Kästli wurde von den Ustaschakreisen mitgeteilt, dass er
die Verantwortung für ein Scheitern der Verhandlungen zu tragen
habe. Obwohl der Bundesrat Ende 1944 die Sperre für die Länder
Kroatien, Ungarn und Slowakei erlassen hatte, dauerten die
Verhandlungen an, und man hoffte in Zagreb weiterhin auf einen
Teilerfolg. Nachdem diese gescheitert waren und man Kästli eine
dritte Warnung zukommen liess, entschied sich dieser, Kroatien so
bald als möglich zu verlassen. Um keinen Verdacht zu schöpfen,
tarnte er seine Abfahrt als eine Dienstreise, und liess die
kroatischen Stellen wissen, dass er nach einigen Wochen wieder zurückzukehren
beabsichtige. Am 7. März 1945 verliess Kästli Kroatien Richtung
Schweiz und kehrte nicht mehr zurück. Nach einer schwierigen und
gefährlichen Reise durch das von den Alliierten bombardierte
Deutschland kam er einige Tage später heil in der Schweiz an.[22] Er
verbrachte nach den turbulenten Zeiten in Zagreb die nächsten
zwei Jahre im Innendienst in Bern und wurde erst wieder 1947 in
den Aussendienst nach Montreal beordert. Dort blieb er bis zu
seiner Pensionierung im Jahre 1959. Am 28. Februar 1972 starb Kästli
in Bern.[23] 2.2.2
Das Bild Kästlis von den Kroaten Kästli
sah in den Kroaten ein Volk, welches „rassisch und sprachlich“[24]
zum slawischen Stamm gehörte und konfessionell romanisch geprägt
war. In weltanschaulicher Hinsicht bildete es seiner Ansicht nach
den Übergang vom Morgen- zum Abendland. Kulturell gehöre es dem
Kreis der sesshaften, Landwirtschaft, Viehzucht und Handel
treibenden und schifffahrenden Völker an. Geographisch
(Wirtschaft und Verkehr) war Kroatien für ihn Kreuzpunkt von
Westeuropa nach dem Schwarzen Meer und vom Donauraum ins
Mittelmeer. Politisch rechnete er es, wie die grosse Mehrzahl der
Völker des europäischen Ostens, zu den unreifen Nationen. Kästli
beschrieb die Kroaten als eher passives Volk, welches dank seiner
künstlerischen Begabung in beachtlichem Masse kultur- und
assimilationsfähig sei. Sie würden zum Kreis der tragischen Völker
gehören, welche gross im Erdulden seien. Ihnen sei eine hohe,
lebendige Intelligenz eigen, welche aber, wie bei so vielen
osteuropäischen Völkern, an mangelnder Ausgeglichenheit kranke.[25] In
den Augen Kästlis erklärte sich der Bruderzwist zwischen Serben
und Kroaten und der dadurch entbrannte Bürgerkrieg aus dem langen
Kampf gegen die Türken und der damit verbundenen Neigung zur
Gewaltanwendung, dem Versagen der katholischen Kirche in diesem
Raum sowie der grossserbischen Politik, die das Kroatentum seit
der Gründung des gemeinsamen Staates unterdrückt hatte. Gemäss
Kästli war es den Kroaten aufgrund dieser Bedingung nicht möglich,
ihre Rückständigkeit zu überwinden. Zudem war die
„rassenbedingte politische Passivität“[26]
einer politischen Entwicklung nicht förderlich. Dies zeigte sich
laut Kästli in der damals grössten politischen Partei, der
kroatischen Bauernpartei, welche jede grössere Herausforderung
und Verantwortung scheute. Das Volk, welches grösstenteils aus
Bauern bestand, sah wie die Bauernpartei in der ungeliebten
Regierung der Ustascha ein notwendiges Übel, ohne es beseitigen
zu wollen. Dieser fehlende Wille zur Ergreifung oder mindestens
zur aktiven Beteiligung an der Regierungsmacht konnte gemäss Kästli
den Kroaten weder über ihr momentanes Schicksal hinweghelfen noch
sie zu tragenden Staatsbürgern heranbilden.[27] Kästli
gelangte zur Folgerung, dass es der Führung des kroatischen
Volkes an folgenden Merkmalen mangle: an Entschlusskraft, an
politischem Kalkül und an politischen Zielen für die Zukunft.
Das Erste, so Kästli, hätte sich unter den obwaltenden Umständen
vor der Weltöffentlichkeit noch nicht wirkungsvoll offenbaren können.
Das Zweite würde vom weiteren Kriegsverlauf abhängen. Und die
politischen Ziele würden nur solange als ein Programm aufgefasst
werden, wie das kroatische Volk nicht in der Lage sei, zu einer
klaren Willensäusserung Stellung zu beziehen.[28] Weiter
berichtet Kästli, wie Jugoslawien gerne mit der Schweiz
verglichen und als eine Art „Schweiz des Ostens“ bezeichnet
werde. Laut Kästli sei dabei aber vergessen worden, dass sich
beide Staatsgebilde nicht nur historisch anders gebildet hätten,
sondern auch die Grundvoraussetzung in wichtigen Teilen anders
sei. Jugoslawien hätte sich auf die Gleichheit von Rasse und
Sprache gestützt, während für die Schweiz gerade in diesen
Dingen die Verschiedenheit der einzelnen Volksteile
charakteristisch sei. Während den drei Stämmen Jugoslawiens die
wichtigsten Voraussetzungen zu einem Zusammenschluss fehlen würden,
seien sie bei der schweizerischen Eidgenossenschaft in idealem
Masse erfüllt. Die Schweiz lebe geopolitisch in einer fast
einzigartig günstigen Lage, innerhalb ein und desselben
Kulturkreises, innerhalb ein und derselben Weltanschauung und in
konfessionell abgeklärten Verhältnissen. Ihre drei Stämme seien
kleeblattartig nebeneinander gereiht. Jeder Stamm sei gleichzeitig
Nachbar der beiden anderen, was die Staatsleitung von zentraler
Stelle aus erleichtere und Ungerechtigkeiten gegenüber einem
Einzelstamm selten aufkommen lasse. In Jugoslawien hingegen seien
die einzelnen Volkskörper linear geschaltet. Die Leitung befände
sich ausgerechnet bei jener Ethnie, die zum Morgenland gehöre.[29] In
ähnlichem Sinne fährt er fort, dass ein gemeinstaatliches
Zusammenleben der Kroaten und Serben, mit Rücksicht auf die
geschilderten Grundlagen und Spannungen sowie im Hinblick auf die
damaligen Erfahrungen für die Zukunft, als unzweckmässig
angesehen werden müsse und zwar egal, ob auf föderativer oder
zentralisitscher Grundlage aufgebaut. Der aus der
Versailler-Konferenz resultierende Plan hätte sich zu einseitig
auf die rassischen und sprachlichen Verwandtschaften der drei
Volksstämme bezogen. Dabei hätte man ob diesen oberflächlichen
einigenden Elementen die sehr tief gehenden, entscheidenden
Trennungselemente übersehen. 1919 habe man laut Kästli die
zentrifugalen Kräfte noch nicht erkannt. Der Zweite Weltkrieg
biete diesbezüglich so viel Anschauungsunterricht, dass eine
Neugründung Jugoslawiens seiner Ansicht nach zukünftig nicht
mehr zur Debatte stehen sollte.[30] [1]Im Jahre 1917 wurde Kästli zum Oberleutnant der Artillerie (Haubitze) befördert. [2]E 2500 (-), 1982/120, Bd. 51. Vgl. dazu Berichte vom 3.9.1925, 23.9.1925 und 24.12.1929 an das EPD. [3]Die mit ihrem Konsul äusserst zufriedene Schweizerkolonie, versuchte den Bundesrat dahingehend zu beeinflussen, Kästli nicht nach Kaunas in Litauen zu versetzen. Siehe E 2500 (-), 1982/120, Bd. 51, Schreiben des Schweizerischen Unterstützungsvereins München vom 18.7.1936. [4]Er hatte Bedenken, weil er nur Konsul und nicht Gesandter war und deshalb zweifelte, ob die litauischen Kreise seinen Aufgaben genügend Aufmerksamkeit schenken würden. [5]E 2500 (-), 1982/120, Bd. 51, Bericht von Kästli aus dem Jahre 1937 an das EPD. [6]Egger führte weiter aus, wie Kästli durch sein persönliches Verhalten Gefahr lief, die Kritik seiner Vorgesetzten herauszufordern und die Aussicht seines Aufstieges zu verscherzen. Das EPD antwortete in einem Schreiben an Egger, dass es seine Auffassung teile. Siehe E 2500 (-), 1982/120, Bd. 51, Bericht des schweizerischen Gesandten in Finnland, Egger an das EPD vom 21.11.1939 und Schreiben des EPD an Egger vom 29.11.1939. [7]E 2400 (-) Zagreb, Bd. 4, Geschäftsbericht 1941 von Kästli. [8]E 2400 (-) Zagreb, Bd. 4, Geschäftsbericht 1941 von Kästli. [9]Ebd. [10]In dieser Notiz wird berichtet, dass Dr. Ebrard, der Chef der schweizerischen Handelsdelegation, welche ein erstes Wirtschaftsabkommen mit Kroatien schloss, grosse Stücke auf Kästli hielt. Siehe E 2500 (-) 1982/120, Bd. 51, Notiz des Bundesrates vom 5.2.1943. [11]E 2500 (-), 1982/120, Bd. 51. Vgl. dazu E 2200 (Zagreb), -/1, Bd. 5, Bericht von Kästli vom 20.11.1941. [12]E 2500 (-), 1982/120, Bd. 51, Schreiben Kästlis vom 30.8.1944. Diese Bitte erklärt sich daraus, dass Kästli trotz seiner geringen Sympathie für das Regime, viel am Land und an den Leuten Kroatiens lag. [13]E 2500 (-), 1982/120, Bd. 51 Brief Leuenbergers, Vertreter der Schweizerischen Illustrierten Zeitung, an Kästli vom Sommer 1944. [14]Unter dieser Bedingung verstand man, dass die Kroatische Staatsbank dieses Gold der Schweizerischen Nationalbank zum Kauf anbieten und den Gegenwert in Schweizerfranken zur Bezahlung von schweizerischen Waren, die für den Export nach Kroatien bestimmt waren, verwenden sollte. Siehe E 2001 (E), 2, Bd. 603. [15]E
2001 (E), 1, Bd. 373, Bericht von Kästli zur Goldaffäre vom
23.3.1946. Vgl. dazu E 2001 (E), 2, Bd. 603. [16]E 2001 (E), 1, Bd. 373, Bericht von Kästli zur Goldaffäre vom 23.3.1946. [17]In einem Chiffretelegramm an das Politische Departement zuhanden der Nationalbank wies Kästli auf die Nützlichkeit hin, das Gold auf alle Fälle zurückzuhalten, um es später, nach dem politischen Umbruch, als Pfand gegen Eingriffe zum Nachteil schweizerischen Kapitals in petto zu haben. Siehe E 2001 (E), 1, Bd. 373, Bericht von Kästli zur Goldaffäre vom 23.3.1946. [18]Finanzminister Toth musste aufgrund dieser Angelegenheit als Präsident der Staatsbank zurücktreten. [19]E 2001 (E), 1, Bd. 373, Bericht von Kästli zur Goldaffäre. Vgl. dazu E 2001 (E), 2, Bd. 603. [20]Ebd. [21]E 2001 (E), 1, Bd. 373, Bericht von Kästli zur Goldaffäre. Vgl. dazu E 2001 (E), 2, Bd. 603. [22]Ebd. [23]E 2500 (-), 1982/120, Bd. 51 [24]E 2400 (-) Zagreb, Bd. 4, Geschäftsbericht 1942/43 von Kästli. [25]E 2400 (-) Zagreb, Bd. 4, Geschäftsbericht 1942/43 von Kästli. [26]Ebd. [27]Ebd. [28]E 2400 (-) Zagreb, Bd. 4, Geschäftsbericht 1942/43 von Kästli. [29]Ebd. [30]Ebd.
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